Johann Konrad Dippel von Frankenstein

Eine dunkle, neblige Nacht. Gespenstisch ragen die Türme von Burg Frankenstein in den Himmel. Leise quietscht das rostige, alte Tor des nahen Friedhofs. Eine verhüllte Gestalt schleicht zwischen den von Nebel bedeckten Gräbern dahin und macht sich auf den Weg zurück zur Burg. Johann Konrad Dippel von Frankenstein trägt über seinem Rücken einen Sack mit Leichenteilen und in den umliegenden Dörfern geht das Gerücht er wolle aus diesen und dem Blut von Jungfrauen sowie ‘geheimen Künsten‘ einen ‘neuen Menschen‘ erschaffen. J.K. Dippel, 1673 auf Burg Frankenstein geboren, seines Zeichens Theologe, Alchemist, Anatom und Mediziner glaubte als Pietist an die Wiedergeburt und versuchte zu beweisen, daß es möglich sei eine Seele problemlos von einer fleischlichen Hülle in eine andere zu transferieren.

Dippel ist aber auch Freigeist und Querdenker und kann mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten, was ihm manch Ärger einbrachte. Schon mit seiner theologischen Magisterarbeit „De Nihilis“..“Über das Nichts“ hat er sich nicht gerade viele Freunde gemacht. In Pommern, das in dieser Zeit schwedisch war wurde er wegen Beleidigung eines Beamten inhaftiert und floh in schwedischer Uniform nach Holland. Johann Konrad Dippel, so heißt es, kehrte oft, aber vor allem immer dann zu seinem Geburtsort der Burg Frankenstein zurück, wenn er anderen Ortes in Schwierigkeiten geraten war, was nicht selten vorkam." So auch 1717, als er im dänischen Altona wegen angeblicher Verleumdung eines hohen Beamten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. 10 Jahre später wurde er allerdings auf freien Fuß gesetzt und ging daraufhin ärztlichen Tätigkeiten am königlichen Hofe in Oslo und Stockholm nach. Ständig auf der Flucht, von Unruhe und Neugier getrieben und von unbändigem Forscherdrang beseelter zog es ihn zu seinen Anhängern nach Celle, Hannover und Lüneburg, wo ihn der Superintendent 1729 des Landes verweisen ließ.

1734 stirbt der unruhige Zeitgeist Johann Konrad Dippel auf Schloss Wittgenstein, seiner letzten Zufluchtsstätte. Er hinterließ unzählige Schriften, Dissertationen und Erfindungen wie zum Beispiel Dippels Tieröl und ein Zeitgenosse setzte ihm mit folgenden Worten ein wahrheitsgetreues Denkmal: „Dippel war ein großer Kopf, zugleich aber unbiegsam, stolz, emporstrebend, und ein beißender Tadler; er fürchtete nichts in der ganzen weiten Welt; es scheint, dass er gerne ein Geistlicher geworden wäre, und mir kommts so vor, als wenn er in diesem Stande das unterste zu oberst gekehrt haben würde […] „

Noch heute soll sein unruhiger Geist als Gespenst auf dem Dach seines ehemaligen Laboratoriums sitzend erscheinen und laut jammernd dessen und den Verlust seines Geschöpfes beklagen

Mary Shelley`s Frankenstein

Fast hundert Jahre später sollte Johann Konrad Dippels Monster dann aber doch noch auf andere Art und Weise zum Leben erweckt werden. In einem Roman mit dem Titel „Frankenstein- oder Der moderne Prometheus wird er als Unhold seines Schöpfers Viktor Frankenstein zu Weltruhm gelangen.

Die Autorin Mary Shelley bereiste 1814 die Gegend um Burg Frankenstein und es sollen ihr in den Dörfern rund um die Burg die immer noch kursierenden Schauergeschichten zu Ohren gekommen sein. Zudem berichtete Jacob Grimm Mary Jane Clairmont, der Übersetzerin von Grimms Märchen und zufällig auch Stiefmutter von Mary Shelley von den Legenden um die Burg Frankenstein.

Viktor Frankenstein, überaus intelligent und von einem unstillbaren Wissensdurst getrieben, entdeckte das Geheimnis, wie man toten Stoffen Leben einhaucht. Begeistert von dieser Erkenntnis beschloss er, ein menschliches Wesen zu erschaffen. Doch Viktor schlampte bei der Zusammenstellung und so war er von seiner Schöpfung bei ihrem ersten Atemzug angeekelt, so hässlich und furchteinflößend wirkte sie. Entsetzt floh er aus dem Labor und traf dabei auf seinen Jugendfreund Henri Clerval. Als die Beiden wieder in Viktors Labor eintrafen, war das Wesen jedoch verschwunden. Viktor erkrankte an Nervenfieber, und nur der fürsorglichen Pflege Henris war es zu verdanken, dass er überlebte. Nachdem er wieder genesen war, erreichte ihn ein Brief seines Vaters mit der Mitteilung, dass sein junger Bruder Wilhelm ermordet worden war. Noch in der Nacht seiner Ankunft erblickte er eine riesenhafte Gestalt und war sofort davon überzeugt, dass seine Schöpfung der Täter war. Doch an deren Stelle wurde Justine, das Hausmädchen und Gesellschafterin der Frankensteins, des Mordes bezichtigt, für schuldig befunden und hingerichtet. Viktor, der den wahren Täter kannte, verging in den nächsten Tagen förmlich vor Schuldgefühlen, wagte es jedoch nicht, die Wahrheit zu offenbaren. Stattdessen unternahm er weite Streifzüge in die Umgebung, um sich abzulenken. Dabei traf er auf das von ihm geschaffene Wesen. Der Unhold gab zwar zu, dass er Wilhelm erwürgt habe, doch konnte man dies auch als unglückseligen Unfall betrachten, denn nur die Ablehnung der Menschen habe in ihm das Böse entfacht. Daher bat er Viktor, ein zweites Geschöpf zu erschaffen, eine Frau. Er erhoffte sich, durch ein ebenso hässliches Geschöpf, wie er es ist, Liebe und Zuneigung zu erfahren. Gemeinsam sollten sie weitab jeder menschlichen Zivilisation ihr restliches Leben verbringen. Von den Worten des Wesens gerührt und um sich von seiner Schuld ihm gegenüber reinzuwaschen, willigte Viktor ein. Kurz vor der Vollendung seines Werkes bekam er jedoch Zweifel und befürchtete, dass das zweite Wesen genauso schlecht und böse werden würde wie das erste. Außerdem argwöhnte er, die beiden Kreaturen könnten Kinder zeugen, welche Generationen später eine Bedrohung für die Menschen werden könnten. Daher vernichtete er sein fast vollendetes Werk vor den Augen des Unholds, der ihm heimlich gefolgt war. Rasend in seinem Zorn und voller Wut erwürgte dieser aus Rache Henri und versuchte, den Mord Viktor in die Schuhe zu schieben. Daraufhin kehrte Viktor nach Genf zurück und heiratete seine geliebte Elisabeth. Doch der Unhold, empört über Viktors abermaligen Versuch, Trost und Liebe zu finden, während er selbst für den Rest seines Lebens allein und ausgestoßen bleiben musste, ermordete die Braut noch in der Hochzeitsnacht. Als wenige Tage später Viktors Vater, durch die vielen schweren Unglücksfälle gezeichnet, an gebrochenem Herzen starb, machte sich Viktor auf, um sein Geschöpf zu jagen und zur Strecke zu bringen. Wild entschlossen folgte er der Spur, die der Unhold ihm hinterlassen hatte, bis in die weiten Eiswüsten der Arktis. Abgezehrt und schwerkrank traf Viktor schließlich auf das Schiff von Kapitän Walton, das im Packeis eingeschlossen lag, verstarb aber wenige Tage später an Bord des Schoners. In einer darauffolgenden Nacht kommt Frankensteins Kreatur an Bord und findet ihren Schöpfer tot. In tiefer Trauer um ihre schlechten Taten und Abscheu vor sich selbst, nimmt sich der Unhold dann selbst das Leben.

JB - Fotografie